Werden Straftaten in Unternehmen festgestellt können über die §§ 9, 14, 30 OWiG Verbandssanktionen ausgesprochen werden. Dies bedeutet, dass gegenüber dem Unternehmen Geldbußen ausgesprochen werden, wenn Aufsichtspflichtmaßnahmen unterlassen worden sind, die im Ergebnis dazu geführt hätten, Straftaten im Unternehmen zu verhindern.
Häufig ist dies der Fall im Zusammenhang mit Steuerstraftaten oder auch Korruptionstatbeständen. Hier können die festzusetzenden Beträge erheblich sein. So regelt z.B. § 30 Abs. 2 Nr. 1 im Falle einer vorsätzlichen Straftat eine Geldbuße von bis zu 10 Mio. EUR und gem. § 30 Abs. 2 Nr. 2 im Falle einer fahrlässigen Straftat eine Geldbuße von bis zu 5 Mio. EUR. Gem. § 30 Abs. 4 OWiG kann die Geldbuße selbstständig festgesetzt werden, auch wenn wegen der Straftat ein Straf- oder Bußgeldverfahren nicht eingeleitet wurde oder dieses eingestellt worden ist, es sei denn, dass die Straftat oder Ordnungswidrigkeit aus rechtlichen Gründen nicht verfolgt werden kann.
Hier kommt das sog. „Compliance-Management-System“ zum Tragen. Es ist bisher die übliche und anerkannte Praxis deutscher Behörden und Gerichte bei der Strafzumessung von Verbandssanktionen Compliance-Management-Systeme strafmildernd zu berücksichtigen. Dies entspricht auch den Grundsätzen des § 17 OWiG.
Dies hat nun der BGH in seiner Entscheidung von 9. Mai 2017, 1 StR 265/16 (LG München I) klargestellt.
Insoweit hatte die Revision der Staatsanwaltschaft betreffend die Nebenbeteiligte gegen die festgesetzte Geldbuße Erfolg. Der BGH hat festgestellt, dass ihre Bemessung Rechtsfehler zu deren Vorteil enthalten hatte.
Ausgangspunkt für die Bemessung der Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte war nun zunächst die Tat der Leitungsperson. Dabei ging es jedoch nicht allein nach der Schuld des einen Angeklagten, sondern es sind sämtliche Angeklagte / Leitungsorgane und deren Schuldumfang für die Bemessung der Verbandsgeldbuße in den Blick zu nehmen.
Der BGH Senat hat für die neue Bemessung der Verbandsgeldbuße dabei auf Folgendes hingewiesen:
Es seien die Vorschriften des § 30 Abs. 3, § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG in den Blick zu nehmen. Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, der aus der Ordnungswidrigkeit gezogen worden ist, übersteigen. Weiter ist von Bedeutung, in wie weit die Nebenbeteiligte ihrer Pflicht, Rechtsverletzungen aus der Sphäre des Unternehmens zu unterbinden, genügt hat. In diesem Zusammenhang hat der Senat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zu prüfen sei, ob ein effizientes Compliance-Management-System installiert wurde, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss. Hier kann auch eine Rolle spielen, ob in Folge des Verfahrens entsprechende Regelungen im Compliance Management optimiert wurden, ob interne Betriebsabläufe so gestaltet worden sind, dass vergleichbare Normverletzungen zukünftig jedenfalls deutlich erschwert werden.
Wenngleich offengelassen wurde, ob Änderungen im Compliance-Management-System vor oder nach der Entdeckung der Tat eine Rolle spielen oder nur sanktionsmildernd oder auch strafschärfend das Compliance-Management-System bei der Bebußung zu berücksichtigen sein soll, lässt sich daraus dennoch aus unserer Sicht Folgendes ableiten:
Bei ordnungswidrigen Aufsichtspflichtverletzungen, also der Anknüpfungstat nach § 130 OWiG, müssen Compliance-Management-Maßnahmen bei der Bemessung der Buße berücksichtigt werden. Dies kann sowohl sanktionsschärfend als auch sanktionsmildernd geschehen. Ihr gänzliches Fehlen könnte z.B. sanktionsschärfend bewertet werden. Sanktionsmildernd allerdings müssten sowohl die Etablierung von Compliance-Maßnahmen als auch die Nachjustierung des Compliance-Management-Systems nach Entdecken der Straftat bewertet werden.
Unabhängig davon, dass dies in Deutschland bisher noch nicht ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben ist, tut jedes Unternehmen gut daran, sich entsprechend auszurichten. Der Kölner Entwurf der Verbandssanktionen vom 6. Dezember 2017 als auch der Gesetzesentwurf zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2013 (Verbandsstrafgesetzbuch) sowie der Entwurf eines Gesetztes zur Schaffung von Anreizen für Compliance-Maßnahmen in Betrieben und Unternehmen (Compliance-Anreiz-Gesetz aus dem Jahr 2016) und der Gesetzgebungsvorschlag für eine Änderung der §§ 30, 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) des Bundesverbands der Unternehmensjuristen, mag zwar insgesamt noch nicht umgesetzt sein, jedoch zeigt sich an diesen „Strömungen“ deutlich, dass diese sich eher zu verstärken scheinen, als dass sie mildern, sodass mit guter Gewissheit davon ausgegangen werden kann, dass ein wirksames Compliance-Management-System in Zukunft im Sanktionsrecht eine wesentliche Rolle spielen wird.