Liegt eine Steuerstraftat vor, so stellt sich nicht nur die Frage des Risikos der Bestrafung, sondern auch die Frage, inwieweit der Täter einer Steuerhinterziehung zusätzlich durch die Haftungsinanspruchnahme für die hinterzogenen Steuern belastet ist. Das FG Berlin-Brandenburg (9. Senat) hat mit Beschluss vom 14.7.2021 – 9 V 9046/21 festgehalten, dass bei der Prüfung der Frage, ob eine Haftungsinanspruchnahme als Steuerhinterzieher in Betracht kommt, das Gericht auf die Feststellungen in dem strafgerichtlichen Urteil zurückgreifen darf, wenn der zur Haftung herangezogene gegen diese Feststellungen keine substantiierten Einwendungen erhebt.
Und weiter heißt es in den redaktionellen Leitsätzen dazu, es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Ermessensentscheidung im Fall des Vorliegens einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 AO dahingehend vorgeprägt ist, dass es in jedem Fall rechtens ist, den Täter der Steuerhinterziehung persönlich in Haftung zu nehmen.
Eine Haftungsinanspruchnahme kommt ebenfalls bei dem Vorliegen von Einfuhrabgabenhinterziehung in Betracht. Hier besteht für das Hauptzollamt die Möglichkeit über den Haftungsbescheid nach § 191 AO i.V.m. § 71 AO die Einfuhrabgaben nebst Einfuhrumsatzsteuern bei dem Steuerhinterzieher geltend zu machen. Das FG München urteilte dazu am 24.5.2007 – 14 K 2771/05, dass jemand, der am unzulässigen Verbringen von Zigaretten aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates nach Deutschland beteiligt gewesen sei, rechtmäßig über § 71 AO mit Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann. Grundlage bildete ein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts, in dem der klagende Haftungsschuldner wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung verurteilt wurde.
Eine Haftungsinanspruchnahme kommt aber auch dann in Betracht, wenn es nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung gekommen ist, sondern das Strafverfahren gemäß § 153a StPO eingestellt wurde. Hier werden die Mandanten häufig überrascht. Und anders als die Finanzbehörden lassen sich die Hauptzollämter viel Zeit, Haftungsbescheide wegen Einfuhrabgabenhinterziehung anzudrohen. Nicht zuletzt geschieht dies erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Mandantschaft den Vorgang auch gedanklich bereits zu den Akten gelegt hat.
Diese Verfahren sind mühsam. Denn die Behörden lassen häufig eine sorgfältige Begründung missen. Gerade bei Einstellung des Steuerstrafverfahrens haben sie aber umfassend darzulegen unter welchen Tatsachenvoraussetzungen eine Steuerhinterziehung gegeben sein soll. Und weiter ist hier zu bemängeln, dass bei Auslandssachverhalten und anderweitig beteiligten ausländischen Teilnehmern die Behörden den leichten Weg gehen und (allein) denjenigen in Anspruch nehmen, der in Deutschland ansässig ist; ganz gleich, welche zusätzlichen Ermittlungsmöglichkeiten bestehen, auch die anderen potentiellen Beteiligten weiter zu ermitteln.
Es ist daher dringend geboten, den Mandanten auch auf eine potentielle Haftungsinanspruchnahme hinzuweisen. Gegebenenfalls sollten aus Beratersicht Verjährungsfristen mit beachtet werden.