Nach wie vor ist die Rechtslage, ob das Gericht auf die obligatorische Einziehung nach §§ 73 ff. StGB hinweisen muss oder nicht, unklar.
Um was geht es: In der Entscheidung vom 6. Dezember 2018 (Az.: 1 StR 186/18) hat der 1. Senat des BGH entschieden, dass das Gericht bei einer möglichen Einziehungsentscheidung einen förmlichen Hinweis nach 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO erteilen muss. Danach ist das Gericht zu einem Hinweis verpflichtet, wenn sich u.a. vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Anordnung einer Maßnahme rechtfertigen. Dies erfasst nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB auch die Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB.
Dies gilt – so der 1. Strafsenat damals weiter – unabhängig davon, ob die der Einziehungsentscheidung zugrunde liegenden Tatsachen schon vor der Hauptverhandlung bekannt waren, das Gericht deren Bedeutung aber erst während der Hauptverhandlung erkannt hat.
Nunmehr lag im Jahr 2019 dem 5. Strafsenat des BGH eine Revision zur Entscheidung vor
(Az.: 5 StR 20/19), bei der es wieder um die Frage der Hinweispflicht bei obligatorischer Einziehung ging. Der 5. Strafsenat vertritt eine andere – von der Entscheidung des 1. Strafsenats aus dem Jahr 2018 abweichende Meinung – wonach weder § 265 Abs. 1 StPO noch § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO eine Hinweispflicht auf die nach §§ 73, 73c StGB obligatorische Einziehung begründen, sofern diese an bereits in der Anklageschrift enthaltene tatsächliche Umstände anknüpft.
Aufgrund der divergierenden Meinungen erließ der 5. Strafsenat am 18. Juni 2019 einen Anfragebeschluss (Az.: 5 ARs 20/19), mit dem er seine abweichende Entscheidung in dieser Sache ankündigt und bei den anderen Strafsenaten anfragt, ob an entgegenstehender Rechtsprechung – also der förmlichen Hinweispflicht – weiterhin festgehalten wird.
Darauf entgegnete der 1. Strafsenat mit Beschluss vom 10. Oktober 2019 (Az.: 1 ARs 14/19), dass an der bisherigen Rechtsprechung des 1. Strafsenats festgehalten wird und die beabsichtigte Entscheidung des 5. Strafsenats dieser widerspricht.
Der 1. Strafsenat führt u. a. zur Begründung aus, dass kein sachlicher Grund bestehe, die Einziehung im Hinblick auf das Erfordernis eines gerichtlichen Hinweises anders zu behandeln als die Maßregeln der Besserung und Sicherung, bei denen eine Hinweispflicht unstrittig besteht. Insbesondere – so der 1. Strafsenat weiter – kann es nicht darauf ankommen, ob die Rechtsfolge obligatorisch oder nur fakultativ anzuordnen ist. Denn auch bei den Maßregeln der Besserung und Sicherung gibt es „etliche, die zwingend anzuordnen sind“.
Vielmehr sei der § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO nach dem Sinn und Zweck weit auszulegen. Die Hinweispflicht diene vor dem Hintergrund des fairen Verfahrens der Sicherung einer sachgemäßen Verteidigung des Angeklagten, der so vor Überraschungsentscheidungen des Gerichts geschützt werden soll.
Dabei reicht es nach Auffassung des 1. Strafsenats nicht aus, dass die Einziehung an bereits in der Anklageschrift enthaltene tatsächliche Umstände anknüpft. Maßgeblich sei vielmehr, dass der Angeklagte neben dieser reinen Sachverhaltskenntnis die “rechtliche Bedeutung des Sachverhalts für eine bestimmte Rechtsfolgenentscheidung erkennt, mithin mit dieser rechnet und sich entsprechend verteidigen kann“.
Schlussendlich bezweifelt der 1. Senat auch das Beruhen auf einem etwaigen Rechtsverstoß, so dass die Frage der Hinweispflicht ggfs. schon aus diesem Grund nicht entscheidungserheblich sei.
Eine abschließende Entscheidung des 5. Strafsenats in der o. g. Revision steht noch aus. Da bislang also noch eine einheitliche Rechtslage existiert, sollte weiterhin an der Revisionseinlegung wegen Verletzung der Hinweispflicht in solchen Fällen festgehalten werden.